Einst und jetzt: Bremen Hbf und die Baureihe 140

Anfang Juli 2023 konnte ich für einen Nachmittag mal wieder das Geschehen am Bremer Hauptbahnhof beobachten und in bestimmten Fällen fotografisch festhalten. Der Besuch des Bahnhofs erinnerte mich an meine ersten Aufnahmen dort im April 1977. Damals fand die Taufe meines Cousins in Bremen statt. Dabei konnte ich einen Nachmittag am Bahnhof verbringen und die Züge fotografieren, die damals in Bremen zu sehen waren. Altbau-Elloks, wie in Süddeutschland damals noch zahlreich zu sehen, waren natürlich nicht dabei, aber die Lokomotiven der Baureihe V200 vom Bw Oldenburg waren noch zahlreich zu sehen und ebenso fotogen.

Dampfloks waren in Bremen zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren Geschichte. Ich kann mich aber noch an die Durchfahrt eines mit einer Dampflok der Baureihe 50 vom Bw Uelzen bespannten Güterzuges im März 1975 erinnern, der offenbar jeden Nachmittag als letzter dampfgeführter Zug südwärts durch den Bremer Hauptbahnhof fuhr. Zwei Monate später war auch das vorbei. Aber die imposante Bahnhofshalle des Bremer Hauptbahnhofs hatte mich schon damals beeindruckt, und eine Dampflok mit geöffnetem Regler sorgte bei der Durchfahrt für großes Kino.

140 543 vom Bw Seelze fuhr am 13.04.1977 mit einem gemischten Güterzug, vom Bremer Rangierbahnhof kommend, durch den Bremer Hauptbahnhof. Im Vordergrund zu sehen ist die Weichenverbindung für Güterzüge, die Richtung Bremen Neustadt fuhren bzw. von dort kamen.

Die Bremer Bahnhofshalle ist nach wie vor imposant und als Hintergrundmotiv für Zugaufnahmen gut geeignet, wenngleich heute fast nur noch elektrisch betriebene Fahrzeuge dort durchfahren bzw. ein- und ausfahren. Im Nahverkehr sind das vor allem Triebzüge oder lokbespannte Wendezüge mit Doppelstockwagen von privaten Betreibern wie der Nordwestbahn/Regio-S-Bahn Bremen/Niedersachsen oder von DB Regio. Vor fast 50 Jahren waren hier häufig Silberling-Garnituren der DB mit BR 141 im Einsatz, auf den Strecken Richtung Oldenburg dagegen Dieseltriebzüge oder mit Diesellok bespannte Züge, wobei durchgehende Reisezüge in Bremen Hbf auch umgespannt wurden von Diesellok auf E-Lok bzw. umgekehrt.

Gebaut wurde der Bremer Hauptbahnhof als zentraler Durchgangsbahnhof in den Jahren 1885 bis 1889. Er ersetzte damals mehrere regionale Bahnhöfe in der Stadt, so u.a. den Hamburger Bahnhof und den Hannoverschen Bahnhof, der westlich des heutigen Hauptbahnhofs lag. Der neue Bremer „Centralbahnhof“, wie er anfangs genannt wurde, ging schließlich am 15. Oktober 1889 in Betrieb.

Ein recht langer Ganzzug war an jenem 13.04.1977 mit 140 379 vom Bw Seelze bespannt. Zwischen den Regenschauern kam an diesem Tag immer mal wieder die Sonne raus, womit die dunklen Wolken im Hintergrund beeindruckend in Szene gesetzt wurden.

Von den Bahnsteigen aus, insbesondere vom westlich gelegenen Bahnsteig der Gleise 2/3 konnten die beiden bahnsteiglosen Durchfahrtsgleise für Güterzüge schon immer gut eingesehen werden. Güterzüge, die aus Richtung Hannover oder Osnabrück kamen, durchfuhren den Bremer Hauptbahnhof nordwestwärts in Richtung Bremen Rbf und ggf. weiter Richtung Bremerhaven.

Einige Güterzüge zweigten auch über einen Gleiswechsel in der Bahnhofshalle vom Hauptdurchfahrtsgleis ab und fuhren über einen relativ engen S-Bogen aus dem Hauptbahnhof aus und weiter in Richtung Bremen Neustadt bzw. zu den ausgedehnten Hafenanlagen entlang der Weser. Die beiden größten Hafenanlagen waren damals der Industriehafen an der Ostseite der Weser und der Neustädter Hafen mit dem Übergabebahnhof Bremen-Grolland.

Die Strecke nach Delmenhorst und Oldenburg war allerdings erst ab 1980 durchgängig elektrisch befahrbar, weshalb die Schnell- und Eilzüge ab und bis Bremen Hbf mit Loks der Baureihe 220 oder 216 bespannt waren, und die Nahverkehrszüge häufig mit Dieseltriebwagen der BR 614 oder BR 624/634 gefahren wurden.

Ungefähr vom gleichen Standpunkt und bei ähnlich bedrohlichen Wolken im Hintergrund wie im vorherigen Bild fährt 46 Jahre später die 140 808 von Triangula Transportlogistik am 06.07.2023 mit einem Autotransportzug südwärts durch den Bremer Hauptbahnhof. Die 140 808 ist übrigens eine “echte Norddeutsche”, war sie doch von ihrer Ablieferung im Jahre 1971 bis 1998 beim Bw Hamburg-Eidelstedt stationiert. 2010 wurde die Lok von DB Cargo an DB Fahrwegdienste abgegeben, und von dort fand sie erst vor kurzem den Weg zum heutigen Eigentümer, der auch die 140 855 von DB Fahrwegdienste übernommen hat. Beide Loks tragen nun eine Art orientroten Anstrich mit stilisiertem “Frontlatz” und zusätzlicher weißer “Bauchbinde”, in Reminiszenz an das orientrote Farbschema für Loks der Deutschen Bundesbahn ab 1986.

Der Güterverkehr war damals fest in der Hand der überaus zahlreich vorhandenen Loks der Baureihe 140, die ja in Norddeutschland vor allem beim Bw Seelze beheimatet waren, aber auch Loks aus Osnabrück, Hamburg-Eidelstedt, Köln-Deutzerfeld oder Oberhausen Osterfeld Süd waren in Bremen häufig zu sehen. Loks der Baureihe 150 und 151 waren zumindest 1977 nicht sonderlich zahlreich zu beobachten, und wenn, dann meist im Programmverkehr mit Ganzzügen.

Die große Bahnhofshalle des Bremer Hauptbahnhofs aus dem Jahre 1889 kommt aus dieser Perspektive besonders gut zur Geltung, als 140 482 am 13.04.1977 mit einem Eilgüterzug in Richtung Bremen Rbf hindurchfährt. Im Vordergrund die Weichenverbindung für Güterzüge nach bzw. aus Richtung Bremen Neustadt.

Der direkte Vergleich der Bahnhofshalle vor 46 Jahren mit dem Zustand von heute zeigt, dass sich nicht viel verändert hat seither. Heute fahren immer noch Loks der Baureihe 140 durch den Bremer Hauptbahnhof, hier stellvertretend die nach einer Neulackierung wieder gut aussehende 140 824 der Eisenbahn Gesellschaft Potsdam (EGP) mit einem Autologistikzug nach Bremerhaven. Die 140 824 war von der Indienststellung 1972 bis 1988 beim Bw Oberhausen Osterfeld Süd beheimatet, danach jeweils sieben Jahre in Dortmund Bbf und Hagen-Eckesey, und zuletzt beim Bw Gremberg. 2009 wurde die Lok bei DB Cargo abgestellt und 2011 an den heutigen Eigentümer EGP verkauft, der sie vor allem vor Containerzügen und Autotransportzügen von und zu den Seehäfen Hamburg und Bremerhaven einsetzt.

Im Laufe der Jahre musste auch der Bahnknoten Bremen modernisiert und ausgebaut werden, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen und mehr Güterverkehr von und zu den Seehäfen durch den Bremer Hauptbahnhof zuzulassen. Im Jahre 1999 wurde die Signaltechnik des Bremer Hauptbahnhofs, lange noch mit Formsignalen ausgestattet, auf ein elektronisches Stellwerk umgestellt, welches heute von der Betriebszentrale in Hannover ferngesteuert wird. Man kann aber auch heute noch Formsignale in Bremen “erleben” , denn der im Jahre 2005 bezüglich seiner früheren Aufgabe als Zugbildungsanlage stillgelegte Rangierbahnhof im Ortsteil Gröpelingen weist bis heute noch zahlreiche Formsignale auf. Die weitläufigen Anlagen werden heute noch teilweise genutzt zum Abstellen von Güterzügen und überzähligen Güterwagen. Auch Güterzüge der Relation Hamburg – Bremerhaven nutzen den ehemaligen Rangierbahnhof zur Durchfahrt. Das ebenfalls noch vorhandene und in Betrieb befindliche Reiterstellwerk ist bei Eisenbahnfreunden weithin bekannt und als Fotomotiv beliebt.

140 079 vom Bw Seelze durcheilte nach einem erneuten Regenschauer am 13.04.1977 den Bremer Hauptbahnhof mit einem Kesselwagenzug, und benutzte dabei den Abzweig in Richtung Bremen Neustadt.

Der Verkehr in Richtung Bremerhaven nahm in den 2000er und 2010er vor allem durch den zunehmenden Export deutscher Autos in alle Welt weiter zu, gleichzeitig wurde im Jahre 2012 in Wilhelmshaven mit dem JadeWeserPort ein neuer Hochseehafen in Betrieb genommen und bis heute stetig ausgebaut. Die eingleisige Strecke von Oldenburg nach Wilhelmshaven ist deshalb bis 2014 zweigleisig ausgebaut worden und erlaubt seit Herbst 2022 auch einen durchgängigen elektrischen Zugbetrieb.

Auch in Bremen selbst kam es in den letzten 15 Jahren zu einem stetigen Ausbau der Umschlagkapazitäten. In der Nähe des Neustädter Hafens hat sich ein Güterverkehrs- und Logistikzentrum etabliert, welches mit zahlreichen angesiedelten Speditionen das größte in Deutschland ist . Integraler Bestandteil ist ein Terminal für den kombinierten Verkehr, also zum Umschlag von Gütern zwischen Straße und Schiene, situiert nächst dem Güterbahnhof Grolland.

Im Vorgriff auf die steigende Zahl von Güterzügen in Richtung Bremen-Neustadt und Oldenburg, die alle durch den Bremer Hauptbahnhof fahren müssen, wurde die Linienführung durch den Bremer Hauptbahnhof in Richtung Oldenburg und in Gegenrichtung schon ab 2012 weiter ausgebaut.

So wurde im Prinzip ein drittes Gleis zwischen dem Hauptbahnhof und der Weserbrücke Richtung Bremen-Neustadt gebaut, welches vor allem von Güterzügen genutzt wird. Die Güterzüge kreuzen damit nach dem Gleiswechsel in der Bahnhofshalle nicht mehr die Ausfahrt von Reisezügen aus dem Gleis 3 oder 2 in Richtung Delmenhorst, sondern fahren auf etwa 700 m Länge geradeaus weiter entlang des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs nordwestlich der anderen Ausfahrgleise des Hauptbahnhofs. Dann schwenkt das neue Gleis in einem engen 90°-Bogen, der sogenannten ‘Oldenburger Kurve’, nach Westen ab und mündet vor der Querung der Weser in die ebenfalls von Güterzügen befahrene Strecke aus Richtung dem ehemaligen Bremer Rangierbahnhof ein.

Damit stehen im besonders stark befahrenen Abschnitt vom Bremer Hauptbahnhof bis kurz vor der Weserbrücke nun zwei Richtungsgleise zur Verfügung. Reisezüge und Güterzüge in Richtung Bremen-Neustadt können im Prinzip parallel aus dem Hbf ausfahren, wobei die Reisezüge die alte Trasse wie bisher benutzen.

46 Jahre später ist es 140 “047” (ex DB 140 801) der Pressnitztalbahn, die in Richtung Bremen Neustadt unterwegs ist. Heute fahren die Güterzüge nicht gleich auf Höhe des Bahnsteigs links in den Abzweig, sondern fahren am linken Durchfahrtsgleis für Güterzüge noch ca. 700 m geradeaus weiter entlang des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs, um dann in einer neu gebauten Gleisverbindung, der ‘Oldenburger Kurve’, auf das Streckengleis von Bremen Rbf nach Bremen Neustadt einzuschwenken. Dieser Ausbau war im letzten Jahrzehnt erforderlich geworden, um die Verkehrsleistung durch den Bremer Hauptbahnhof zu erhöhen.

In Gegenrichtung konzentriert sich der Reise- und Güterverkehr in der Regel nach wie vor auf ein Streckengleis, aber auch hier gab es einen Ausbau der Linienführung, um das Kreuzen von Güterzügen direkt an den Bahnsteiggleisen im Hauptbahnhof zu vermeiden. Das Gleis 1 wurde zu einem weiterführenden Durchfahrtsgleis ausgebaut, welches an der südöstlichen Ausfahrt nicht mehr direkt mit den anderen Bahnsteiggleisen zusammengeführt wird. Güterzüge aus Richtung Oldenburg bzw. Bremen-Neustadt fahren seither am Gleis 1 kreuzungsfrei durch den Bremer Hauptbahnhof, und erst vier Kilometer weiter im Südosten, bevor sich die beiden Hauptstrecken trennen, erfolgt die Gabelung und die Einfädelung auf die Streckengleise in Richtung Hannover bzw. Osnabrück.

Der Betriebsablauf kann seither deutlich flüssiger gestaltet werden, und Verspätungen von Reisezügen infolge kreuzender Güterzüge im Bereich der Bahnsteiggleise gehören der Vergangenheit an. Damit scheint der Bremer Hauptbahnhof auch 134 Jahre nach seiner Eröffnung gut gerüstet zu sein für die Zukunft.

140 287 hatte am 03.08.1978 die bereits ozeanblau-beige lackierte 140 362 im Schlepp dabei, als sie mit einem Ganzzug aus Muldenkippwagen den Bremer Hauptbahnhof in südöstliche Richtung durchfuhr. Güterzüge aus Bremen-Neustadt müssten zu jener Zeit in der Bahnhofshalle bei langsamer Fahrt in das durchgehende Gütergleis einfädeln, womit während dieser Zeit Ausfahrten in der Gegenrichtung nicht möglich waren. Durch die neue Linienführung durch Gleis 1 kann das seit einigen Jahren vermieden werden.

Abschließend soll auch noch ein Dieseltriebwagen gezeigt werden, um die Perspektive vom gegenüberliegenden Bahnsteig der Gleise 5 und 6 zu verdeutlichen. 624 642 und 624 604 am Zugende fahren am 5.8.1978 von Gleis 3 aus in Richtung Bremen-Neustadt. Aus dieser Perspektive ist einer der beiden Türme des Bahnhofsgebäudes zu sehen, welche bis heute ein besonderes Merkmal des vom Architekten Hubert Stier im Stil der Neorenaissnance erbauten Bahnhofgebäudes darstellen.

Abschließend zu diesem Artikel noch ein Bild aus dem Jahre 1979. Es zeigt links einen auf Gleis 2 eingefahrenen Eilzug aus Oldenburg, der zur Weiterfahrt bereits umgespannt war auf eine E-Lok der Baureihe 103, in der Mitte auf Gleis 3 ein weiterer Zug aus Oldenburg, der in Bremen endete und anschließend in die Abstellanlage weiterfuhr, und rechts die 140 592 auf dem Durchfahrtsgleis 4 für Güterzüge. Dieser “große Bahnhof” mit der imposanten Bahnhofshalle im Hintergrund konnte am 16.08.1979 im Bild festgehalten werden.

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